Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum
war das so sehr schwer?
-Hermann Hesse, Demian
Und dann schwebt da dieser eine Satz im Raum. Er kommt aus dem Nichts, unerwartet,
erwischt auf dem falschen Fuß. Oder auf dem richtigen. „Manche Dinge haben mehr Haken als
man schlagen kann“, singt DENIZ JASPERSEN in „Alte Muster“.
Plötzlich ist man da, hellwach. Weil man spürt, dass da etwas passiert. Dass da etwas vor sich
geht, dem man Aufmerksamkeit schenken muss. DENIZ JASPERSEN macht Musik, der man
zuhören will. Mit der man bewusst Zeit verbringen will. Das sagt in der heutigen Zeit sehr viel.
Der Weg zu diesen Songs war allerdings nicht einfach. Nach langen und erfolgreichen Jahren
am Bug der Indie-Band HERRENMAGAZIN wusste Deniz zwar, dass er einen Alleingang wagen
wollte, mehr aber auch nicht. Dass es aber durchaus hilfreich sein kann, sich im Vorfeld zu
überlegen, was man möchte, sollte er bald lernen. Zunächst ging er kurzerhand ins Studio und
begann mit der Arbeit. Abgesehen von der Unterstützung seines Produzenten war er auf sich
allein gestellt und spielte alle Instrumente selbst ein. Nach vier Wochen im Studio war das Album
zwar im Grunde fertig, aber es folgte die Erkenntnis, dass ihn dieser Ansatz nicht zu dem
gewünschten Ziel geführt hatte. „Ich war extrem verkrampft“, erinnert er sich. „Anfangs wollte
ich unbedingt das Beste machen, was ich je geschrieben habe, aber wenn man mit so einer
Herangehensweise Musik macht, kann da nichts Vernünftiges herauskommen.“ Auch wenn
einige Songs echt toll geworden sind, fühlte es sich nicht richtig an, sie zu veröffentlichen.
Finanziell war das ein gigantischer Reinfall, aber er wusste, dass es besser geht. Also war diese
Entscheidung unvermeidlich. Ebenso schwer wog aber die künstlerische Sackgasse, in die
Deniz sich selbst manövriert hatte. Und so tat er zunächst einmal das, was er am besten kann:
Zweifeln.
DENIZ JASPERSEN verfügt über eine Selbstreflexion, die vielen abgeht und die sich im
Angesicht solcher Rückschläge zu einem sehr unbequemen Begleiter entwickeln kann. Damit
gehen die üblichen Fragen einher: Kann ich mich überhaupt neu erfinden? Kann ich anders
texten als bisher? Kann ich andere Songs schreiben, die trotzdem nach mir klingen? Suche ich
eine Facette von mir, die gar nicht existiert? Bin das dann noch ich?
„Authentizität ist in der Musik ja ein allgegenwärtiges Thema“, sagt der Hamburger. „Jeder will
echt sein, aber jede Echtheit lässt sich eben auch inszenieren. Heute ist es sicher nicht
einfacher geworden echt und fake auseinander zu halten. Was ist schon authentisch, wenn
alles vermarktet wird?
Deniz ist Musiker und kein Marketingexperte. Er ist Kosmopolit, der zwischen Hafenstadt und
Istanbul, der Heimat seiner Mutter, pendelt. Vor allem aber ist er einer, der sich nicht mitteilt,
um gehört zu werden. Er teilt sich mit, um sich selbst besser zu verstehen. „Die Leute suchen
immer Klarheit, aber die Dinge sind nicht schwarz oder weiß. Kein Mensch ist kongruent. Es gibt
kein Richtig oder Falsch.“ Stattdessen“, schmunzelt er lakonisch, „ist alles immer kompliziert.“
Deniz wollte raus aus diesen gedanklichen Korsetten und sich selbst überraschen. Er wollte ein
besserer Musiker werden und wieder Spaß haben an dem, was er tut. Aber er steckte fest. Er
wollte auf keinen Fall wie eine poppige Variante von Herrenmagazin klingen. Er wollte weg vom
klassischen Achtelrock, aber auch keine Balladen schreiben. Er musste also einen Weg finden,
wie er seine Stärken ausspielen kann, ohne auf altbewährte Tricks zurückzugreifen.
Aus diesem Tief herausgeholfen hat ihm komischerweise die Musik selbst. Und zwar in Form
von Helge Schulz von der Band Helgen, den er auf einer gemeinsamen Tour kennengelernt
hatte. In ihm fand er ein musikalisches Stützrad und Inspiration. Gemeinsam sortierten sie das
vorhandene Material, arrangierten alte und schrieben gemeinsam neue Songs. Fast gleichzeitig
kam Jugendfreund Johann Scheerer auf ihn zu und ermutigte ihn, den klassischen
Albumansatz zu verwerfen. In Zeiten des Streamings braucht ohnehin niemand mehr ein
ganzes Album.
„Ich habe in dieser Zeit viel Hip Hop und R´n´B gehört. Das hat mir geholfen, meine
Herangehensweise ans Songwriting zu überdenken. Neben den oftmals reduzierten
Instrumentierungen habe ich mir dann einfach auch die Veröffentlichungsstrategien
abgeschaut“. Also werden im nächsten Jahr werden in unregelmäßigen Abständen Songs
herausgebracht.
Kurzerhand engagierte Deniz Musiker, mit denen er immer schon einmal zusammenarbeiten
wollte: Timon Schempp, Helge Schulz (beide Helgen), Philip Andernach (Die Liga der
gewöhnlichen Gentlemen / Meute), Florian Pfeifle und Anne von Twardowski.
Nach ein paar wenigen Proben gingen sie mit Johann ins Clouds Hill Studio und spielten vier
Songs live ein. Kaum Overdubs, kein Editieren und nichts, was der Song nicht unbedingt
braucht. „Im Grunde eine wahnsinnig unmoderne Herangehensweise, aber dieser radikale
Ansatz zwang mich, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und half, den Knoten in
meinem Kopf zu lösen, der sich binnen der letzten drei Jahren immer fester gezogen hatte.“
Wenn man das Ergebnis hört, merkt man, dass sich das Risiko gelohnt hat. Denn
herausgekommen ist Musik, die sich vor allem als unbedarft beschreiben lässt. Die Songs
klingen trotz der nachdenklichen Texte beseelt und unverkrampft. Die Songs von Deniz sind
mal wohlgemut, mal nachdenklich, mal besorgt, mal verkatert und mal traurig. Nie jedoch
pathetisch oder überzeichnet. Die Produktion ist mal chaotisch, mal rumpelt es hier und da, mal
schießt sie über das Ziel hinaus, nur um im richtigen Moment wieder genau dort zu sein wo sie
sein soll. Dadurch entsteht eine lebhafte Spannung, die von Kreativität und Leichtigkeit erfüllt ist.
Diese Aufnahmen bilden so die Antithese zu zeitgenössischer, chronisch überproduzierter
Popmusik. „Mittlerweile weiß ich, wann ich am besten bin und was für ein Umfeld ich dafür
brauche. Ich will einfach nur tolle Songs schreiben und veröffentlichen. Die Vorstellung, in den
nächsten Monaten immer wieder Stücke zu veröffentlichen ohne auf irgendwelche Deadlines,
Promoschedules oder Kampagnen zu achten, empfinde ich als enorm befreiend.“
Im Nachhinein kam zwar alles ganz anders als er dachte. Aber am Schluss steht die
Erkenntnis, dass der Weg zu sich selbst niemals zu Ende ist. Wahrscheinlich ist Deniz noch nicht
da wo er hinwill, aber er hat seine Spielfreude zurück. Also muss er auf dem richtigen Weg sein.
Deniz Jaspersen
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